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Leserbrief
Ostschweiz
13.07.2025

«Fremdscham»

Rexeye
Rexeye Bild: leaderdigital.ch
In seinem Leserbrief findet der Montlinger Musiker Shqipton «Rexeye» Rexhaj klare Worte rund um den in Heerbrugg getöteten Asylbewerber.

Ein 17-jähriger Junge ist tot.

Er wurde in der Nacht auf Freitag, blutend und schwer verletzt, am Bahnhof Heerbrugg gefunden – in einer Region, die auch meine Heimat ist.Er war Asylsuchender aus Algerien, lebte im Bundesasylzentrum Altstätten. Die Polizei spricht von einem Gewaltverbrechen. Vielleicht war er kriminell. Vielleicht hat er Fehler gemacht. Ich weiss es nicht – und will niemanden in Schutz nehmen.

Aber was ich gesehen habe: lachende Smileys, hasserfüllte Kommentare – unter einem Artikel über seinen Tod. Ein Mensch ist getötet worden – und was folgt, ist Häme, Spott, Verachtung. Als wäre das normal geworden.

Ich weiss, dass es Missbrauch im Asylsystem gibt. Ich rede nichts schön. Aber darüber entscheiden nicht wir – und schon gar nicht anonyme Online-Profile.

Niemand verlässt Heimat, Familie, Sprache einfach so.Flucht bedeutet: Angst haben. Keinen anderen Ausweg mehr sehen.Wenn ihr das nie erlebt habt, urteilt nicht so schnell.

Und schon gar nicht mit Hass im Herzen.

Was mich heute erschüttert hat, war nicht nur die Tat – sondern wie kalt viele darauf reagierten.

Diese Kälte. Diese Lust am Hass.Dieser Reflex, sofort zu richten, wo eigentlich erst einmal ein Innehalten nötig wäre.

Ich empfinde tiefe Fremdscham. Nicht, weil Menschen kritisch denken. Sondern weil so viele jede Menschlichkeit verloren haben.

Weil wir Mitgefühl verlieren – und es nicht einmal mehr merken.

Und wer sich von diesen Gedanken angegriffen fühlt: Mit solchen Menschen will ich nichts mehr zu tun haben. Ich stehe für Menschlichkeit – auch da, wo sie unbequem wird.

Das ist nicht die Art Mensch, die ich sein will. Und nicht die Gesellschaft, in der ich leben möchte.

Shqipton Rexhaj, Montlingen

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Redaktion rheintal24

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