«Das schwerwiegendste Verbrechen, dessen er angeklagt werden könnte, ist das Verbrechen der Aggression», führte die Juristin aus. Dabei geht es um einen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat. Weil Russland aber das Statut, das dieses Verbrechen definiert, nicht unterzeichnet hat, müsste die internationale Gemeinschaft «ein spezielles Gericht bilden».
Analogien zu Milosevic
In diesem Punkt gebe es international noch keinen Konsens, obwohl der Fall für del Ponte eindeutig ist: Putin sei «ganz klar» ein «Kriegsverbrecher», ordnet die ehemalige Chefanklägerin der Internationalen Strafgerichtshöfe für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien ein. «Ich sehe Analogien zu Slobodan Milosevic.»
Ein Sondertribunal für das Verbrechen der Aggression wäre erfolgversprechend, so del Ponte. «Weil das Verbrechen der Aggression bereits bewiesen ist und keine anderen Beweise erfordert als jene, die wir bereits haben.» Als Genozid würde sie den Krieg dagegen nicht beschreiben: «Gemäss Völkerrecht muss man eine Absicht und einen Willen dafür nachweisen. Diesen Beweis zu erbringen, ist komplex.»
UNO ohne Macht
Nachdem eine unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen Beweise für Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter und Mord gefunden haben, müsse nun die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ermitteln. Und weiter? «Der IStGH müsste rasch Untersuchungen durchführen können.» Ein Sondergericht der UNO sei aber wegen Russlands Vetorecht kaum vorstellbar: Die UNO «hat aber in der aktuellen Situation nur sehr wenig Macht», so del Ponte.